Donnerstag, 13. November 2014

Schmetterling und Taucherglocke (2007)

Ein Mann, der nach einem Unfall nichts bewegen kann, außer seinem linken Auge. Ein Mensch der in sich selbst gefangen ist, der seine Gedanken nicht aussprechen kann und der sich wohl kaum einsamer und verlorener fühlen könnte. Eingefangen in einen Film der tief in seine Gedanken eintaucht:

Schmetterling und Taucherglocke

Originaltitel: Le Scaphandre et le papillon
Produktionsland: Frankreich / USA
Veröffentlichungsjahr: 2007
Regie: Julian Schnabel
Haupt-Darsteller: Mathieu Amalric, Emmanuelle Seigner, Marie-Josée Croze, Anne Consigny
Altersfreigabe: FSK 12
Laufzeit: 112 Minuten
Kurzbeschreibung: Schmetterling und Taucherglocke erzählt von einem Mann, der seit einem Schlaganfall am Locked-In-Syndrom leidet. (Quelle: Moviepilot.de)


Kritik:

Jean-Dominique Bauby war französischer Journalist, Autor und Chefredakteur des französischen Magazins "Elle", bevor er am 8. Dezember 1995 einen Schlaganfall erleidet und ins Koma fällt. Nach seinem Erwachen kann der 43-jährige nicht mehr sprechen und ist überall am Körper gelähmt, mit Ausnahme seines linken Auges. Dies ist so tatsächlich passiert und von Bauby, der hier von Mathieu Amalric gespielt wird, in einen Roman verarbeitet worden. Der Film erzählt den Prozess nach seinem Aufwachen, die Probleme mit denen er leben muss und das "Diktieren" des Buches, was er durch eine Art Zeichensprache durch sein Blinzeln vollbrachte, als Verfilmung eben jenes Romans von Bauby.

Schmetterling und Taucherglocke ist ein gewaltiger Film. Er begibt sich thematisch in eine so dermaßen schreckliches Szenario und das, aus erster Hand der Person erzählt, die das alles wirklich erlebt hat. Allein dieser Fakt verleiht dem ganzen ein so hohes Level an Authentizität und erschreckender Ehrlichkeit, das man so leider nur allzu selten in Dramen geboten bekommt. Der Film wirkt dadurch an keiner einzigen Stelle auch nur irgendwie klischeemäßig und versucht sich gar nicht erst irgendwo einzuordnen. Man tut hier nicht Unrecht, dies als ernsthaftes Kunstwerk zu bezeichnen, als ein bewegendes Erlebnis voller toller Bilder und Monologe, die einen zum Nachdenken anregen.

So zeigt uns Regisseur Julian Schnabel auf der einen Seite immer wieder schockierende Bilder aus der Realität - wie die aus Bauby's Perspektive gefilmte Szene, in dem ihm sein Auge zugenäht wird - und auf der anderen Seite tolle Fantasiewelten, die sich der gelähmte in seinem inneren Exil aufbaut. Bildgewaltig kommt Schmetterling und Taucherglocke somit daher und versucht auf groteske Weise irgendwie zu übermitteln, wie es sich anfühlen muss in Bauby's Haut zu stecken. So ist überhaupt ein Großteil der Szenen sozusagen aus seinen Augen Beobachter des Geschehens.

Doch beobachtet er nicht nur, nein er kommentiert auch alles was passiert mit einer inneren Erzählerstimme, die gekonnt mit solch einer selbstironischen Distanz agiert, dass alles einfach so echt wirkt und man diese Person, die man überhaupt nicht kennt und die nichtmal sprechen kann, die nicht einmal auch nur einen Funken von Mimik zeigen kann, lieb gewinnt und sich mit ihr anfreundet. Immer wieder werden wir zudem ruckartig in Bauby's Vergangenheit entrissen, in sein Leben vor dem Unfall, und lernen diesen Menschen kennen, der doch so unperfekt ist wie wir alle, bevor wir wieder ohne Vorwarnung in der bitteren Realität sind. Fantastisch wird das ganze von einem leisen aber deutlichen Klaviersoundtrack umhüllt, der zu den richtigen Stellen hinzukommt und hin und wieder sind auch einige populäre Lieder, vor allem auf französisch, zu hören, die die Szenen beschmücken.

Es handelt sich hier um einen durchaus anspruchsvollen Film, der der Thematik und der Geschichte gerecht wird und einem die Augen öffnet. Ein so tiefer Blick in eine noch nie gesehene Perspektive ist noch niemandem so gut gelungen, zumindest nicht dass ich wüsste. Dieser Film ist ein Film, in dem es um die Gefühle geht, um die Bilder und die Worte die so schön melancholisch, so traurig und so erfrischend aufrichtig sind. So konnte ich in manchen Szenen ein Lachen nicht unterdrücken, in anderen musste ich mich zusammenreißen um nicht in Tränen auszubrechen. So wenig man auch von Mathieu Amalric zu sehen bekommt, was gezeigt wird macht er großartig. Auch sehr positiv hervorzuheben sind die weiblichen Nebendarsteller, die sich hier mit Bauby befassen, bestehend aus seinen Ärztinnen, seiner Ex-Frau und der Reporterin, die sein Buch niederschreibt, denn sie alle sind toll anzusehen und geben super Performances ab.

Schmetterling und Taucherglocke ist ein atemberaubendes Werk, ein Film der noch lange in den Gedanken nachhallt, der einen nachdenklich macht und der sich auch stark verpackt. Ohne Angst sich der schwierigen Thematik zu stellen und mit Mut zu Experimentellem und Innovativem ist dies ein Film, der für mich etwas ganz eigenes darstellt. Vielleicht nicht unbedingt etwas für jedermann, doch für alle Filmfans die da draußen etwas an nachdenklichem, realistischen und tragischem Stoff Gefallen finden, sollte dieser Film genau das Richtige sein. Für mich war er auf jeden Fall ein wunderschönes Erlebnis.

Wertung: 8/10

Hat Schmetterlinge im Bauch: Maxim Braun



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